Auf Schusters Rappen war nicht drin - Tramper ohne Schuhe

Wiener Kuriositäten:

Ominöse Tramper an Autobahnen haben meist spannende Geschichten zu erzählen. Besonders dann, wenn sie spätabends halbnackt, ohne Schuhe, lediglich in Unterhose unterwegs sind. Grundlegend sollte man natürlich immer vorsichtig sein, wen man da so auf seinen Reisen einsammelt, aber da mir der Anhalter von einer freundlichen Motorradfahrerin gewissermaßen empfohlen wurde; die ihn nur aufgrund der Tatsache, das er auf dem nichtvorhandenen Rücksitz ihres zweirädrigen Gefährts wohl eher tiefgefroren in Wien ankäme, wenn er überhaupt im ganzen ankäme, nicht mitnehmen konnte; hielt ich die Angelegenheit für höchst seriös und vertrauenswürdig.

Also lud ich den fremden Herrn zu mir ins Auto ein, und hörte mir die Geschichte an:
“Ich lass mich nicht unterwerfen” – das war sein Grundsatz. Dieser Grundsatz hatte ihn aber auch in diese teils amüsante, teils besorgniserregende Situation gebracht. Kein schlechtes Ergebnis, wenn man bedenkt, dass andere mit diesem Motto auf den Lippen eine Kugel in den Kopf bekommen.

Seine missliche Lage begann mit seinem Beschluss, Sport zu machen. Ich sag ja immer, das Sprichwort Sport ist Mord kommt nicht von ungefähr. Um seine Kleidung nicht völlig durchzuschwitzen, legte er sie vorher ab, im Gefängnis haben sie es nicht so mit Wechselkleidung – Ja, mit dieser beiläufigen Nebeninfo über den ursprünglichen Ort des Geschehens, erhöhte mein Beifahrer mein Sicherheitsgefühl ungemein. Jedenfalls kam ein Mitinsasse auf die Idee, à la der gestiefelte Kater, mal kurz die Kleider des Herrn zu entwenden. Allerdings nicht, um ihm im Gegenzug eine Prinzessin zu vermitteln, sondern um höchst dreist für eine Rückgabe Essen zu verlangen. Warum auch immer man ein solch gesteigertes Bedürfnis nach labbrigen Billig-Sandwich hat (mir wurde eines als Kostprobe geschenkt und ich wage zu behaupten, dass allein das Gefängnisessen ein nicht zu unterschätzender Ansporn ist, gesetzestreu zu bleiben), der Beraubte reagierte gemäß seinem Grundsatz und verhandelte nicht.

Also blieben die geklauten Kleider da, wo sie waren, und der Herr spazierte bei seiner Entlassung wie Adam aus dem Paradies. Auf die Frage, ob denn die Justizwache da nicht einschreiten würde, erklärte er: “Keiner mag 31er.”

46er (StVO) sind jedoch genauso unbeliebt, daher freute sich der Tramper über die Mitnahme bis in die Stadt zum nächsten Kleidungsladen und ich mich darüber, doch keinem Serienkiller zum Opfer gefallen zu sein.

Autor: [Ressortleiterin] Rebekka Scharfenstein